Ein Interessanter Bericht über die Vorbilds Rolle von Azem Maksutay.
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Gewaltprävention mit Weltmeistertitel
Harter Kern und weiche Schale: Bei Azem Maksutaj ist das nicht nur eine Floskel.
Der Thaiboxer setzt sich für den Nachwuchs ein und wünscht sich für seine Söhne ein Leben ohne Kämpfe im Ring.
Text: Lena Zumsteg
Bild: Giglio Pasqua
«Wer sich draussen prügelt, hat falsch trainiert.» Für Azem Maksutaj gehören die Kämpfe in den Ring, nicht auf die Strasse. Er habe sich immer daran gehalten. Das Thaibox-Training beim vierzehnfachen Weltmeister ist hart: Wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt raus. Damit will er niemanden schikanieren. Ganz im Gegenteil: Er möchte der Jugend etwas beibringen und ihr zur Seite stehen. Die jungen Leute schätzen das und wissen, wie Azem zu seinem Erfolg gekommen ist: Er hat hart dafür gekämpft. Deshalb ist er für viele nicht nur Respektperson, sondern nimmt auch eine auch eine Vorbildrolle ein. In seinem Wing Thai Gym ist daher Gewaltprävention immer wieder ein Thema. Azem erzählt dabei auch seine eigene Geschichte. «Das motiviert die Schülerinnen und Schüler, ihre eigenen Träume zu verwirklichen.»
Azem weiss, was es bedeutet, in ein fremdes Land zu kommen – ohne Zukunft, aber mit vielen Träumen. «Ich wünsche keinem, was ich durchgemacht habe.» Die vielen Kämpfe haben ihre Spuren hinterlassen. Der durchtrainierte Körper bereitet ihm inzwischen oft Schmerzen. Über neunzigmal stand er während seiner Karriere im Ring, darunter waren gerade mal achtzehn Niederlagen. Obwohl Azem nach seiner Einbürgerung offiziell für die Schweiz kämpfte, bekam er vom Staat nie einen Rappen. Er lebte von seiner Gage und seinem Nebenjob als Security. «Manchmal arbeitete ich die ganze Nacht und ging danach direkt an einen Kampf.» Sein Ehrgeiz und seine Hartnäckigkeit haben sich gelohnt: Mit sechzehn Jahren wurde er Schweizer Thaibox-Meister in der Gewichtsklasse bis 63.5 Kilogramm. Das war der Anfang einer Erfolgsgeschichte. Azem brach sämtliche Rekorde und wurde zum jüngsten Weltmeister im Thaiboxen aller Zeiten. Er kaufte mit seinem Ersparten das Wing Thai Gym auf und lernte sein Vorbild, Andy Hug, kennen. Dieser war von ihm so sehr überzeugt, dass er ihn zu sich nach Tokyo holen wollte. Doch Azem war dafür nicht bereit: «Ich wollte weder meine Familie noch das Wing Thai Gym zurücklassen.» Im Nachhinein sei das der grösste Fehler seines Lebens gewesen. Denn als Azem sich zwei Jahre danach doch dafür entschied, war es zu spät. Sein Freund und Idol starb kurze Zeit später an Leukämie und mit ihm auch der Thaibox-Boom in der Schweiz. Die Hoffnung ruhte auf Azem.
Winterthur bedeutet für Azem nicht nur Heimat. Es ist auch der Ort, an dem er seine Träume verwirklichen konnte. «Ich war sehr einsam, als ich vor 24 Jahren in die Schweiz kam.» Die Schule konnte er im Kosovo nicht beenden, der Krieg bahnte sich an. Mit fünfzehn kam er deshalb in die Schweiz, wo seine Familie auf ihn wartete. In Deqan, einem kleinen Dorf in den Bergen Kosovos, lebte die Familie in bäuerlichen Verhältnissen. In der Schweiz angekommen, kannte er weder Sprache noch Kultur. «Ich sah anders aus und war anders gekleidet.» Es war schwierig, sich kulturell und sprachlich zu integrieren. Als er auf einen freien Platz im Deutschkurs wartete, war ihm langweilig. So nahm er das Angebot eines Freundes gerne an, an ein Thaibox-Training mitzugehen. «Ich war schon immer ein Rocky-Fan.» Azem war total fasziniert. Er trainierte sechs Stunden pro Tag und wuchs dabei nicht nur physisch, sondern auch mental.
Über zwanzig Jahre lang stand Azem gegen die stärksten und berühmtesten Kämpfer im Ring. Seine spektakuläre Geschichte zeigt auch der Film «Being Azem». Heute steht Azem nicht mehr aktiv im Ring. Dafür ist er Trainer, Familienvater und Ehemann. Er hofft, dass seine beiden Söhne nicht im Ring stehen werden. «Die beruflichen Perspektiven sind heute viel besser und die Möglichkeiten vielversprechend.» Für alle Familien wünscht sich Azem, dass die Kinder zusammen mit ihren Eltern aufwachsen und gemeinsam die schönsten Momente erleben können. «Denn siehst du deine Kinder gross werden, ist es, als würdest du dich selbst wachsen sehen.»